Mittwoch, 18. Juli 2012

Vom Mutterschutz und Maschinenbau

Vom Mutterschutz und Maschinenbau 

 Eine leider wahre Geschichte 

Wer schwanger wird, ist weg vom Fenster.
So oder ähnlich hatte es Susanne B¹, 34 immer mal wieder von Kolleginnen aus dem Maschinenbaubetrieb gehört. In der Niederlassung eines großen deutschen Maschinenbauers arbeitete sie seit 5 Jahren in der Serviceabteilung. Hatte sich von der Zeitarbeitskraft aufgrund guter Leistungen zu Festangestellten hochgearbeitet.
Aber dann, mit Anfang 30 war der Wunsch nach einem zweiten Kind doch stärker als die Angst vor dem innerbetrieblichen Abstellgleis. Auch war das Vertrauen in die Fairness des Arbeitgebers und den Mutterschutz größer als die das Gerede der Kollegen. Doch schon beim Abschiedsgespräch mit der Firmenleitung kam ihr schon erste Zweifel. „Sie kommen doch nach der 3-jährigen Babypause eh nicht mehr wieder,“ orakelte der Chef und bot eine schmale Abfindung im Gegenzug für die unbefristete Stelle an. Susanne B. lehnte ab.

Unerwartete Ereignisse 

Als im Herbst 2009 die Tochter gesund auf die Welt kam, schien alles perfekt und wie geplant. Dann aber wurde beim Ehemann in der selben Woche eine schwere Herzkrankheit diagnostiziert.
Während sie noch aus dem Krankenhaus mit dem Neugeborenen entlassen wurde, wurde der Ehemann zwei Stockwerke höher eingeliefert und rang mit dem Tode. „Ohne Familie, die mich unterstützt hat, wäre es sehr schwierig gewesen, diese Zeit durchzustehen.“
 Ging es zunächst nur um die gesundheitlichen Probleme, stellte sich leider auch viel zu schnell dann die Frage: „Von was sollen wir jetzt eigentlich leben?“. Denn “eigentlich“ hatte der Ehemann seinen sicheren Job gegen eine freiberufliche Tätigkeit als Softwareentwickler eingetauscht. Dies hätte die Möglichkeit eröffnet, von zuhause aus zu arbeiten, bei der Erziehung der zwei kleinen Kinder einen Teil zu übernehmen und zusammen mit den Alltagsaufgaben gemeinsam die Elternzeit zu meistern. Doch aufgrund der schweren Erkrankung wurde recht schnell eine 90%-ige Schwerbehinderung und Berufsunfähigkeit diagnostiziert. Es blieb keine andere Wahl: Susanne B. Musste zurück in Arbeit. Im Rahmen der 30-Stunden/Woche Regelung war es das naheliegende, den bisherigen Arbeitgeber anzusprechen. Dort stieß sie jedoch auf taube Ohren. Man baue derzeit Stellen ab, im Konzern es würden „Köpfe gezählt“, da sei keinerlei Möglichkeit auf eine Teilzeitbeschäftigung gegeben. Sie schluckte die Absage und schrieb unzählige Bewerbungen. Der Umstand, dass sie beim Antreten eines Arbeitsplatzes, zwei kleine Kinder mit dem schwerbehinderten Vater tagsüber alleine zurechtkommen lassen musste, verdrängte sie zunächst. Erst mal musste Arbeit her. Fast zufällig erfuhr sie dann von einem Arbeitsrechtler, dass sie einen gesetzlichen Anspruch auf Beschäftigung im Betrieb während der Mutterschutzes hatte. Das war ihr zuvor nicht bewusst gewesen. Also wandte sie sich erneut an den bisherigen Arbeitgeber und sprach ihn auf die Gesetzesregelung und ihren Anspruch an.

Taube Ohren 

Die Firma stellte sich taub und stumm, hielt sie dann wochenlang hin, versprach „Gespräche“ und die Monate gingen ergebnislos ins Land. Der eingeschaltete Betriebsrat wurde von der Firmenleitung ein uns andere Mal, wegen angeblich wichtiger Termine, vertröstet und verladen. Zu der versprochenen Aussprache kam es nie. Susanne B. wurde nun selbst vom Anwalt ermuntert über den Weg einer Klage, ihr Recht auf den Arbeitsplatz durchzusetzen. Ganz offensichtlich versuchte der Arbeitgeber, die für ihn unbequeme Bewerberin abzuwimmeln und die Sache auszusitzen. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, hatte sie doch in der Firma gut eingelebt, Freunde rieten ihr ab:“ Versuch´s lieber ohne Arbeitsgericht, sonst ist das Betriebsklima dahin“.
Wenige Stunden vor Ablauf der Erwiderunsgfrist, trudelte beim Gericht ein Fax ein, auf dem sich der Arbeitgeber bereit erklärte, Susanne B. In Teilzeit zu beschäftigen. Was wie eine gütliche Einigung in letzter Minute aussah, entpuppte sich jedoch als Falle. Wenige Wochen nach der vermeintlichem Einigung, erhielt Susanne B. drei Mehrfachabmahungen. Darunter eine, in der behauptet wurde sie telefoniere privat, dann wurde – trotz Gleitzeit – das vermeintliche Zuspätkommen abgemahnt und zuguterletzt eine Krankmeldung, die einige Stunden(!) zu spät erfolgt sei. Das sah nach Schikane aus und so blieb dann doch nichts anderes übrig als den Weg vor Gericht zu beschreiten. Susanne B.s bisherigen Arbeitsplatz hatte der Arbeitgeber übrigens anderweitig an eine freie Mitarbeiterin umverteilt, mitsamt Schreibtisch, Computer und Aufgaben. Stattdessen wurden Susanne B., die zuvor eine verantwortungsvolle Aufgabe hatte, das Schleppen, Sortieren und Sichten alter verstaubter Akten im Archiv aufgetragen. War sie damit fertig, musste sie als Telefonzentrale die Gespräche der gesamten Firma vermitteln, für Kollegen kopieren oder andere Hilfsarbeiten ausführen. Strafarbeit Der Arbeitsplatz, der ihr hierbei zur Verfügung gestellt wurde, stammte noch aus den 1990er Jahren. Ein alter, blasser Röhrenmonitor mit flimmernder Grafikkarte und eine alte schwarze Tastatur, auf die Buchstaben abgewetzt waren. Als „Zugabe“ gab es noch eine alte Maus, deren Kabel zu kurz war, so dass man sich quer über den Tisch legen musste um sie zu bedienen.
Nach 8 Monaten kam es dann auch so, wie es kommen musste: Ein Chirurg diagnostizierte eine chronische Schädigung des Nervs und bescheinigte: Frau B. ist (…) bis auf weiteres arbeitsunfähig. Ende nicht absehbar. Als Ursache identifizierte der promovierte Gelenkspezialist mit 100%iger Sicherheit das unergonomisch gestaltete Arbeitsumfeld. Im Gerichtssaal dann in der ersten Instanz: Verwunderung auf Seiten des Gerichts, warum man die eindeutige Gesetzeslage zur Beschäftigung von Mitarbeitern im Mutterschutz nicht gekannt und umgesetzt habe. Der Geschäftsführer gab hierzu wörtlich zu Protokoll:“ Nun, nachdem die Frau B. wieder bei uns arbeiten wollte, haben wir sie getestet. Wir wollten sehen, wie weit sie für ihren Anspruch auf eine Stelle gehen würde...“ Gestritten wurde dann nur noch über die Abmahnungen und die Frage, ob die neuen Tätigkeiten gleichwertig seien.
Der Arbeitgeber hat es sich mittlerweile zur Taktik gemacht, jede Frist mit Anträgen um Fristverlängerung zu missbrauchen. Offensichtlich will er das Verfahren in die Länge ziehen, bis der Mutterschutz endet. Dass danach eine Kündigung auch nicht ohne weiteres möglich ist ignoriert er nach den Motto: “ Irgendwann wird sie schon mal einen Fehler machen..“ Das Verfahren soll andere Mitarbeiterinnen abschrecken, die Ihnen zustehenden Rechte im Mutterschutz notfalls per Arbeitsgericht durchzusetzen. Der Arbeitgeber weiß durchaus, dass er im Unrecht ist, will aber der Belegschaft zeigen, dass er es der klagenden Arbeitnehmerin schwer und langwierig machen wird, wenn diese versucht auf ihr Recht zu bestehen.
Ihre Arbeit wird jetzt von einer stundenweise bezahlten Kraft erledigt - selbst Mutter von zwei kleinen Kindern – die keine Krankheit oder Urlaubtage bezahlt bekommt, von heute auf morgen nach Hause geschickt werden kann und keinerlei Absicherung besitzt. Mitfinanziert per Gründungszuschuss vom Arbeitsamt. Das ist natürlich eine angenehmere Arbeitnehmerin für den Weltkonzern mit lästigem Tarifvertrag, als die klagende Angestellte. Susanne B. Lässt sich davon jedoch nicht ins Bockshorn jagen, gerade jetzt wo aus dem Mobbing sogar ein körperlicher Schaden hervor gegangen ist.

Sitzfleisch

„Ich habe für mir meinen guten Arbeitsplatz in einem großen Konzern hart erarbeitet. Das werfe ich nicht weg und ich lasse mich auch nicht vertreiben. Wieder bei Null anzufangen bedeutet auch Stress, Unsicherheit, Probezeit, vielleicht nur ein befristetes Arbeitsverhältnis, Gehaltseinbußen oder schlimmer. Da kann ich genauso gut die Auseinandersetzung mit meinem jetzigen Arbeitgeber führen. In den Jahren habe ich viele Vorgesetzte kommen und gehen sehen. Sollte das Verfahren noch lange dauern, arbeite ich vielleicht mit neuer Belegschaft und habe dort ebenso einen Neustart. Sollte es passieren, dass ich erneut schwanger würde, hätte ich gleich wieder bis zu 3 Jahren Mutterschutz, das heißt Kündigungsschutz und Krankenversicherung. Würde ich zu einer neuen Firma wechseln und wäre in der Probezeit oder in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, würde ich gleich wieder schutzlos auf der Straße sitzen. Der Mutterschutz ist kein Almosen. Kinder müssen nun einmal von Frauen zur Welt gebracht und aufgezogen werden und dafür gibt es nur ein begrenztes Zeitfenster. Die Mutter ist hier besonders schutzbedürftig, aber zum Glück auch durch Gesetze geschützt. Man macht sich damit nicht beliebt, aber beliebt und arbeitslos zu sein ist keine Aussicht für mich. Also bleibe ich.
Frauen, die vor haben schwanger zu werden, kann sie nur raten sich zuvor arbeitsrechtlich beraten zu lassen und Chefs die derart unfair und rücksichtslos auf Frauen im Mutterschutz reagieren, sollte junge Mütter so behandeln, wie sie es auch vom Betrieb in der ihre Mutter oder Frau arbeitet erwarten würden."
 ¹ Name geändert

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